Initiative "Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform

und für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung"

OStR Manfred Riebe, Max-Reger-Str. 99, 90571 Schwaig

Spendenkonto "Lehrer-Initiative gegen RS-Reform": Hypobank Nürnberg BLZ 760 202 14, Konto 237 705 3004



Pressemitteilung


Aufklärungsserie:

Die Lehrerinitiative informiert die Bevölkerung über die sog. Rechtschreibreform

Teil 3 vom 03.04.1997:

Märchenerzähler Hans Zehetmair, seine Weniger-Rechtschreibfehler-Fabel und sein "Alptraum". Lehrerinitiative widerlegt Zehetmairs Märchen: Weniger Schreibfehler als Ziel der Schreibreform nicht erreicht, Rücknahme dieser Mogelpackung gefordert.


Die Initiative "Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform und für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung" stellt fest, daß die Schüler trotz angeblicher Senkung der Leistungsanfordungen nicht weniger Rechtschreibfehler machen als zuvor. Während der Podiumsdiskus-sion der Süddeutschen Zeitung zur Rechtschreibreform "Deutschland zum Diktat!" am 05.02.1997 in München (vgl. SZ 08.02.97, S. 13) hatte Kultusminister Hans Zehetmair nämlich verkündet, er habe die Rechtschreibreform im Herbst 1996 in 27 Klassen in 8 bayerischen Städten an 603 Schülern mit einem Diktat testen lassen, das Ergebnis sei, es gebe 40 Prozent weniger Fehler im Diktat. Diese Behauptungen führten zu lautstarken Mißfallenskundgebungen, Zehetmair sei falsch informiert. Daraufhin wurde der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair beim Münchner Nockherberg als Märchenerzähler "derbleckt" (= verulkt). Und in einer 3-SAT-Podiumsdiskussion mit dem Chefredakteur von FOCUS, Helmut Markwort, Prof. Rolf Gröschner, Frau MdB Prof. Erika Schuchardt (CDU), Professorin für Bildungsforschung, Dr. Matthias Wermke, Leiter der Duden-Redaktion und einem Mitarbeiter des österreichischen Kultusministeriums erhöhte Zehetmair die Quote sogar auf fünfzig Prozent weniger Rechtschreibfehler. Sein Pressesprecher Toni Schmid verkündete sogar als "gute Nachricht", die Fehlerzahl sei "deutlich mehr als die Hälfte geringer" (SAGE & SCHREIBE 1&2/1997). Daraufhin verstieg sich der bayerische Landtagsabgeordnete Wolf-gang Gartzke (SPD) am 18.03.97 bei einer Podiumsdiskussion mit Friedrich Denk in Ansbach sogar auf 70 bis 100 Prozent weniger Rechtschreibfehler. Das Hauptargument der Kultusministerkonferenz für das starre Festhalten an ihrer mißglückten Rechtschreibreform liegt in der irrtümlichen Annahme, daß die Reform das Erlernen des richtigen Schreibens erleichtere (Kieler Nachrichten 01.03.97). Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Gisela Böhrk behauptet sogar, daß Versuche an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Uni Kiel eine Reduzierung der Fehlerquote um 50 Prozent ergeben hätten (NDR 1, 28.02.97, 22 Uhr). Auch andere Kultusminister erzählen dieses Weniger-Rechtschreibfehler-Märchen, und andere Kultusminister und Politiker glauben es ungeprüft. Dieses Märchen wird im folgenden widerlegt.

Die Initiative "Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform und für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung" stellt fest, daß man einen Diktattext nach Belieben leicht, normal oder mit "Schikanen" schwierig gestalten kann. So testeten Journalisten der Saarbrücker Zeitung Kultusminister Henner Wittling in der neuen Rechtschreibung. Wittling machte in jedem Satz einen Rechtschreibfehler (Saarbrücker Zeitung 29.03.97, S. 31). Auch dem Sprachwissenschaftler und Rechtschreibreformer Prof. Horst H. Munske, Erlangen, unterliefen in Bayern 3 in einem Probediktat in der neuen Rechtschreibung in wenigen Sätzen fünf Fehler (B 3, Bri-sant, 22.10.96). Das sollte einem Reformer, der Rechtschreiberleichterungen ankündigt, eigentlich nicht passieren. Munskes Kollege in Erlangen, Prof. Theodor Ickler, hat zum Probediktat des bayerischen Kultusministeriums "Ein Alptraum" ein Gegenstück mit schwierigen Wörtern, einen "Science-fiction-Traum", entworfen, bei dem man noch mehr Fehler machen kann. - Die Weniger-Fehler-Angaben von Kultusminister Zehetmair beziehen sich auf das bisher einzige Probediktat des bayerischen Kultusministeriums "Ein Alptraum", das mit acht Sätzen sehr kurz, ohne Schwierigkeiten, nicht repräsentativ und daher kein Maßstab ist. Es lautet:

"Ein Alptraum. Gestern nacht hatte ich einen schrecklichen Traum. Nach den Schularbeiten wollte ich radfahren, als plötzlich ein Riese vor mir im Zimmer stand. Er stellte zehn Joghurtbecher vor mir auf den Tisch und forderte mich auf, sie zu essen. Anschließend sollte ich die Becher numerieren und aufeinanderstapeln. Kaum hatte ich den ersten Becher ausgelöffelt, da standen zwanzig neue auf dem Tisch. Und so ging es weiter, bis das ganze Zimmer mit Joghurtbechern angefüllt war. Ich schrie vor Angst und wachte auf. Vor mir stand meine Mutter, beruhigte mich und meinte, daß es das beste wäre, diesen Traum schnell zu vergessen."

Wenn man - wie hier - die Leistungsanforderungen herabsetzt, wie z.B. auch bei der Kommasetzung, ohne den Bewertungsmaßstab anzupassen, dann errechnet man grundsätzlich 'bessere Noten', obwohl die Schülerleistungen in Wirklichkeit nicht besser geworden sind. Wenn z.B. der Verkehrsminister alle Parkverbots- und Halteverbotsschilder entfernen würde, dann würden die Verkehrsteilnehmer tatsächlich weniger Verkehrsvergehen begehen, doch es entstünde ein Chaos. Die Erfahrungen in der Schulpraxis zeigen aber, daß trotz der angeblichen Rechtschreiberleichterungen durch die Reform die Schüler in Schulaufsätzen nicht weniger Rechtschreibfehler machen, sondern sogar ein wenig mehr Fehler als zuvor, weil durch die Schreibreform neue Fehlerquellen entstanden sind (vgl. "Mehr Verwirrung als Vereinfachung befürchtet." In: Nürnberger Zeitung 23.12.96, S. 11, Das Gymnasium in Bayern. Nr. 1, Januar 1997, S. 29, und "Nach der Reform weniger lesefreundlich." In: Nürnberger Anzeiger, Ausgabe Nordost 22.01.97, S. 6, und Wolfgang Illauer: "Zehetmairs Freudennachrichten in der Praxis nicht bestätigt". In: SZ vom 03.03.97, S. 9, SZ 06.03.97, S. 10, und SZ 22.03.97, S. 11). Daraus kann man den Schluß ziehen, daß die Leistungsanforderungen gestiegen sind und daß das von den Kultusministern angestrebte Ziel, rechtschreibschwachen Schülern das Schreiben zu erleichtern, nicht nur verfehlt wurde, sondern daß sogar eine Verschlechterung eingetreten ist. Das angebliche soziale Ziel der Reformer, Rechtschreibschwachen zu helfen, ist utopisch, und kann nicht erreicht werden, weil durch eine Reform Rechtschreibschwächen nicht beseitigt werden können. Deshalb fordern wir wegen der Täuschung der Bevölkerung durch die Kultusminister mit ihrer Mogelpackung die Rücknahme dieser Deformierung der deutschen Sprache. Um die Bundestagsabgeordneten in ihrer Absicht des Stopps der Rechtschreibreform zu unterstützen, sammelt die Lehrerinitiative Unterschriften von Lehrern und Hochschullehrern für ihre Petition, die Schreibreform zurückzunehmen.



Vertreter der Initiative "Wir Lehrer gegen die Rechtschreibreform und für eine einheitliche, systematische Rechtschreibung": Helmut Delbanco, StD, Ahlhorn, Dr. phil. Klaus Deterding, Berlin, Prof. Dr. Theodor Ickler, Universität Erlangen-Nürnberg, Stephanus Peil, Westerburg, Manfred Riebe, OStR, Schwaig bei Nürnberg, Dr. phil. Gerd Witzke, OStR, Nürnberg.

Schwaig, den 03.04.1997

Manfred Riebe, OStR, stellvertretend unterzeichnet für die oben genannten Kollegen





Artikel 2 . . . Pressemitteilungen-Übersicht . . . Artikel 4